221026 Verjährung des Bußgelds für Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns, OLG Brandenburg Urteil 1 OLG 53 Ss-OWi 255/21

Verjährung des Bußgelds für Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns, OLG Brandenburg Urteil 1 OLG 53 Ss-OWi 255/21


Sachverhalt: Wann verjährt der bußgeldrechtliche Vorwurf der Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns?


Im vorliegenden Fall wurde einem Arbeitgeber vorgeworfen, im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 seinem Arbeitnehmer nicht den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € brutto, sondern lediglich einen Stundenlohn von 7,00 € gezahlt zu haben. Dafür setzte das Hauptzollamt wegen des fahrlässigen Unterschreitens des Mindestlohnes dem Arbeitgeber mit dem Bußgeldbescheid ein Bußgeld fest.


Vor Erlass des Bußgeldbescheides war dem Betroffenen mit Schreiben vom 29. November 2018 die Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz wegen Verstoßes gegen § 20 MiLoG bekannt und ihm zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.


Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 22. Juli 2020 zugestellt. Dagegen legte der Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Juli 2020 Einspruch ein. Der Anwalt war der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Ordnungswidrigkeit verjährt und das Verfahren einzustellen sei.


Während das Amtsgericht Potsdam das Verfahren wegen des absoluten Verfahrenshindernisses der Verjährung nach § 260 Abs. 3 StPO iVm. § 71 OWiG eingestellt hat, legte die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen das amtsgerichtliche Urteil Rechtsbeschwerde ein.


Entscheidung des OLG Brandenburg: Das Bußgeld wegen Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns war nicht verjährt


Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass die Ordnungswidrigkeit im vorliegenden Fall nicht verjährt ist. 


Hierbei handelt es sich um die Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG , bei der die Verfolgungsverjährungsfristen bei vorsätzlicher oder fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeiten drei Jahre betragen.


Das OLG stellte fest, dass der Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ein zivilrechtlicher Vergütungsanspruch ist und deswegen nach § 195 BGB einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dieser Zeitpunkt ist für den Beginn der Verjährung der Ordnungswidrigkeit ausschlaggebend. Aus diesem Grund kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Verjährung mithin mit Ablauf des 31. Dezember 2018 begann und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 endete.


Keine Parallelen zur Änderung des Verjährungsbeginns nach § 266a StGB


Des Weiteren ist das OLG der Ansicht, dass der durch den Bundesgerichtshof geänderte Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Fälligkeit für Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren und damit auf Verstöße nach dem Mindestlohngesetz nicht ohne weiteres übertragbar ist. Es besteht kein Bedürfnis für eine Vorverlagerung des Verjährungsbeginns bei Ordnungswidrigkeiten.


Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verjährungsbeginn bei § 266a StGB verfolgte unter anderem das Ziel, einer unangemessen langen „Gesamtverjährungszeit“ entgegenzuwirken. Solch lange Verjährungsfristen drohen für Ordnungswidrigkeiten nach dem Mindestlohngesetz, die lediglich drei Jahre betragen, nicht. Somit ist auch insoweit keine Vergleichbarkeit mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verjährungsbeginn bei § 266a StGB gegeben und dürfte auch nicht bezweckt sein. 


Nach alledem hob das OLG das amtsgerichtliche Urteil auf.


Fazit: Verjährung von Bußgeldern für Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns dauert länger als drei Jahre


Aus dem Urteil wird deutlich, dass die Verjährung für Ordnungswidrigkeiten nicht mit der Verjährung für Straftaten gleichzusetzen ist. Daher spielt die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Verjährungsbeginn hierbei keine Rolle. Bei der Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns fängt die Verjährung für Ordnungswidrigkeiten erst ab dem Ablauf der zivilrechtlichen Verjährung an. 


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