Mehr Infos zum Urteil des LSG v. 18.06.2020 – L 8 BA 36/19

Mehr Infos zum Urteil des LSG v. 18.06.2020 – L 8 BA 36/19


Versicherungspflicht eines selbstständigen Programmierers?
LSG Urteil v. 18.06.2020 – L 8 BA 36/19

Sachverhalt: Unterliegt ein selbstständiger Programmierer der gesetzlichen Versicherungspflicht?
Im vorliegenden Fall geht es um den Streit über die Versicherungspflicht eines selbstständigen Programmierers aufgrund seiner Tätigkeit zwischen 1992 und 2013.

Die Klägerin, die ein „Baustatik-Softwarehaus“ betreibt, beschäftigte den Programmierer auf Grundlage eines Arbeitsvertrages von 1989 bis 1992. Der Programmierer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 1. Juli 1992, teilte der Klägerin jedoch mit, an einer weiteren Beschäftigung als freier Mitarbeiter interessiert zu sein. Infolgedessen wurde die Zusammenarbeit fortgesetzt und die Programmiertätigkeit von zuhause gegen eine Stundenvergütung erbracht. Diesbezüglich wurde keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen.

Im Jahr 2013 beantragte der Programmierer bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (der Beklagten) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Klägerin. Die Prüfung habe ergeben, dass die Tätigkeit des Programmierers bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Als Selbstständiger sei er nicht tätig. Daher bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der von der Deutschen Rentenversicherung mit Widerspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Dagegen erhob die Klägerin am 5. Januar 2015 eine Klage. Parallel wurde vom BAG festgestellt, dass zwischen dem Programmierer und der Klägerin ein Heimarbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 HAG bestand. Die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses wurde abgewiesen.

Danach kam die Sache wieder zum Sozialgericht, das feststellte, dass die Tätigkeit des Programmierers nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden ist und daher keine Versicherungspflicht besteht. Dagegen legte der Programmierer Berufung ein.

Versicherungspflicht des Programmierers als Heimarbeiter
Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass der Programmierer versicherungspflichtig war. Die Versicherungspflicht ergibt sich aus der gesetzlichen Fiktion des § 12 Abs. 2. 2. Hs. SGB IV, da der Programmierer als Heimarbeiter für die Klägerin tätig war. Die Zuordnung einer Person zur Gruppe der Heimarbeiter bzw. Hausgewerbebetreibenden hat Bedeutung für die Versicherungspflicht. Heimarbeiter sind als Beschäftigte pflichtversichert in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.

Heimarbeiter sind nach der Legaldefinition des §12 Abs. 2, 1. Hs. SGB IV Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen.

Das LSG nahm die Erwerbsmäßigkeit des Programmierers bei der Klägerin an. Das Vertragsverhältnis nach der Kündigung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses war mit einem zeitlichen Umfang von ca. 21 Jahren auf Dauer angelegt. Zudem sollte es zum Lebensunterhalt des Programmierers beitragen. Der Umstand, dass die Tätigkeit eines Programmierers höhewertige Qualifikation erfordert, steht der Einordnung des Vertragsverhältnisses als Heimarbeitsverhältnis nicht entgegen.

Ferner äußerte sich das LSG zum Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV in Bezug auf die Versicherungspflicht und kam zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht ist. Eine isolierte Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Beschäftigung ist der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen von § 7a Abs. 1 SGB IV nach bislang geltender Rechtslage verwehrt.

Fazit: Versicherungspflichtiger selbstständiger Heimarbeiter
Aus dem Urteil wird klar, dass für die Versicherungspflicht der abhängige Status irrelevant sein kann. Wenn die Tätigkeit eines Selbständigen als Heimarbeit ausgeübt wird, unterliegt er der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.

Kontaktperson: Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen rechtlichen Themen haben, zögern Sie nicht Kontakt aufzunehmen. Herr Rechtsanwalt Prochaska berät Sie bei allen Fragen des Wirtschaftsrechts. Als Fachanwalt liegt sein Schwerpunkt insbesondere auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er steht Ihnen bei Fragen der Unternehmensgründung, der Unternehmensumwandlung, des Unternehmenskaufs oder der Unternehmensnachfolge ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie bei der Ausgestaltung von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen oder auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Ebenso berät Sie Herr Prochaska bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie hier sowohl in strafrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen als auch in steuerrechtlichen Verfahren. Sie erreichen ihn per E-Mail (prochaska@protag-law.com) und telefonisch unter 0621-391 80 10–0.
Share by: