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Mehr Infos zum Urteil des LAG Hamm Urteil vom 07.08.2019 – 3 Sa 404/19


Kein Branchenzuschlag in der Arbeitnehmerüberlassung bei tariflicher Deckelung!
LAG Hamm Urteil vom 07.08.2019 – 3 Sa 404/19

Sachverhalt: Steht Zeitarbeitern bei tariflicher Deckelung ein Branchenzuschlag im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zu?
Das LAG Hamm hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Tarifverträge im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Zeitarbeitern einen Branchenzuschlag gewähren, wenn sie zugleich eine tarifliche Deckelung vorsehen. Der Kläger war als Zeitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag des Klägers sah eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge der Arbeitnehmerüberlassung vor. Insoweit kam auch der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie zur Anwendung. Dieser sah nach § 2 Abs. 2 einen prozentualen Branchenzuschlag, je nach Einsatzdauer, vor. Zugleich hielt er fest, dass in der letzten Stufe ein gleichwertiges Arbeitsentgelt gem. § 8 Abs. 4 AÜG erreicht wird. § 2 Abs. 5 sieht eine Deckelung des Branchenzuschlags bis zur Einsatzdauer von 15 Monaten vor. Die Deckelung tritt bei 90% des laufenden regelmäßigen Stundenentgelts eines vergleichbaren Arbeitsnehmers des Kundenbetriebs ein. Allerdings dürfte sie nicht dazu führen, dass nach einer Einsatzdauer von sechs Wochen kein Zuschlag gezahlt wird.

Der Kläger, der in der Arbeitnehmerüberlassung bei einem Unternehmen der Kunststoffverarbeitung im Einsatz war, erhielt 9,49 € brutto. Vergleichbare Stammarbeiter erhielten einen Stundenlohn von 10,50 € brutto. Dem Kläger wurde ein Branchenzuschlag in Höhe von 0,14 € je Stunde gezahlt. Darüber hinaus machte der Verleiher die Deckelung geltend, d.h. er zahlte dem Zeitarbeiter nicht den vollen Branchenzuschlag in Höhe von 7%.

Abweisung der Klage in der I. Instanz: Kein Branchenzuschlag in der Arbeitnehmerüberlassung bei tariflicher Deckelung
Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht auf die ausstehende Differenz. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Nach seiner Ansicht hat der Kläger keinen Anspruch auf den Branchenzuschlag, da der entsprechende Tarifvertrag für die Arbeitnehmerüberlassung eine Deckelung bei 90% vorsieht und der Kläger einen, wenn auch geringeren, Zuschlag erhalten hatte.


Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, dass durch § 2 Abs. 5 die Höhe des Zuschlags nicht festgelegt wird. Da § 2 Abs. 5 nur einen Zuschlag und keinen Branchenzuschlag gewährt, kann er auch nicht den Branchenzuschlag beanspruchen. Auch systematisch ergibt sich dies nach Ansicht des Arbeitsgerichts aus dem Tarifvertrag, da sonst die Tarifparteien die Höhe des Zuschlags an der ersten Stufe festgemacht hätten. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprächen nach Ansicht des Arbeitsgerichts dagegen. Das Tarifwerk bezweckt zwar mit zunehmender Einsatzdauer der Arbeitnehmerüberlassung eine höhere Vergütung für die Zeitarbeiter zu erreichen. Mit der Zeit soll diese angeglichen werden. Allerdings soll im Gegenzug die tarifliche Deckelung in der Arbeitnehmerüberlassung vermeiden, dass durch einen Branchenzuschlag der Zeitarbeiter ein höheres Arbeitsentgelt erzielt, als ein vergleichbarer Stammarbeiter. Mit anderen Worten ergibt sich aus dem Tarifvertrag, dass der Zeitarbeiter in der Arbeitnehmerüberlassung zwar besser gestellt werden soll, jedoch nicht besser als die Stammbelegschaft.

Gegen dieses Urteil legte der betroffene Zeitarbeiter beim LAG Hamm Berufung ein.

Die Entscheidung des LAG Hamm: In der Arbeitnehmerüberlassung gibt es keinen Branchenzuschlag bei tariflicher Deckelung, aber vielleicht Equal Pay
Auch das LAG Hamm wies die Klage zurück. Nach seiner Ansicht gewährt der Tarifvertrag in der Arbeitnehmerüberlassung keinen Branchenzuschlag in Höhe von 7% bei tariflicher Deckelung. Ob der Kläger eventuell einen höheren Anspruch auf Equal Pay hat, ließ es jedoch offen.


Das LAG Hamm stellte zunächst für die Abweisung der Klage auf den Tarifwortlaut ab. Dabei ist der von den Tarifparteien beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, wenn er im Tarifvertrag seinen Niederschlag gefunden hat. Hiernach haben die Tarifparteien in § 2 Abs. 5 keine Regelung zur Höhe des Zuschlags getroffen, falls die Deckelung eingreift. Allerdings folgt das LAG Hamm nicht dem Arbeitsgericht hinsichtlich des Wortlauts. Unter dem Begriff „Zuschlag“ sieht das LAG Hamm daher auch den Branchenzuschlag. Allerdings haben die Tarifparteien für die Arbeitnehmerüberlassung nicht genau geregelt, in welcher Höhe ein solcher Zuschlag anfällt, wenn die Deckelung eingreift. Es wird lediglich geregelt, dass ein Zuschlag gezahlt werden muss. Hätten sie jedoch den Branchenzuschlag gewollte, hätten sie wahrscheinlich eine entsprechende genaue Regelung aufgeführt. Auf der anderen Seite sieht das LAG Hamm keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verleiher eigenständig die Möglichkeit hat, den Zuschlag zu bestimmen. Da die Tarifparteien für die Arbtnehmerüberlassung ein Schema für die Branchenzuschläge gemacht haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Verleiher die Festlegung der Höhe überlassen werden soll.

Weiter sieht das LAG Hamm, dass die Tarifparteien das Problem gesehen haben. Sie haben erkannt, dass es bei einer Deckelung auf 90% Fälle gibt, in denen ein Branchenzuschlag rechnerisch nicht anfällt. Dennoch wurde für derartige Fälle in der Arbeitnehmerüberlassung keine Regelung getroffen. Es wurde lediglich eine Regelung getroffen, dass ein Zuschlag gezahlt werden muss.

Da die Tarifparteien für die Arbeitnehmerüberlassung das Problem erkannt haben, liegt eine bewusste Lücke vor. Bei bewussten Lücken ist jedoch anerkannt, dass diese nicht durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden können. Somit kann der Tarifvertrag auch nicht ergänzend in Bezug auf einen Branchenzuschlag ausgelegt werden.

Der Kläger bekommt somit keinen Branchenzuschlag. Allerdings lässt es das LAG Hamm offen, ob die bewusste fehlende Regelung zur Höhe des Branchenzuschlags dazu führt, dass der Tarifvertrag nicht mehr unter § 8 Abs. 2 AÜG fällt. Dies hätte zur Folge, dass eine Abweichung vom Equal Pay-Grundsatz nicht tariflich erfolgt ist. Damit hätten Zeitarbeiter in der Arbeitnehmerüberlassung einen Anspruch auf Equal Pay. Da der Kläger jedoch kein Equal Pay geltend gemacht hatte, traf das LAG Hamm hierzu auch keine Entscheidung.

Fazit: Statt Branchenzuschlag zukünftig Equal Pay in der Arbeitnehmerüberlassung?
Vordergründig bestätigt das Urteil des LAG Hamm die bestehenden Tarifwerke der Arbeitnehmerüberlassung. Den Zeitarbeitern steht hiernach ein Branchenzuschlag nach sechs Wochen Einsatzzeit mit entsprechender Staffelung zu. Dieser kann auf 90% des Entgelts vergleichbarer Stammarbeiter im Einsatzbetrieb gedeckelt werden. Verleiher müssen zwar einen Zuschlag zahlen, um eine stufenmäßige Angleichung mit dem Entgelt vergleichbarer Stammarbeiter herbeizuführen. Sie müssen jedoch nicht den Branchenzuschlag zahlen, wenn damit die 90%-Grenze überschritten wird. Allerdings könnte das Urteil auch einen Pyrrhussieg darstellen, denn das LAG Hamm hat am Ende seines Urteils die Frage aufgeworfen, ob eine solche Regelung dazu führt, dass durch den Tarifvertrag nicht wirksam vom Equal Pay/Equal Treatment Grundsatz abgewichen wird. Wird diese Frage bejaht, hat dies zur Folge, dass die Tarifwerke der Arbeitnehmerüberlassung insoweit unwirksam sind, jedenfalls hinsichtlich der Branchenzuschläge. Somit stünde mangels tariflicher Abweichung Zeitarbeiter von Anfang an ein Anspruch auf Equal Pay und Equal Treatment zu. Es bleibt daher abzuwarten, wie das BAG den Fall entscheiden wird und welche weiteren Entscheidungen in diesem Bereich noch anstehen.

siehe auch unter: https://protag-law.com/kein-branchenzuschlag-in-der-arbeitnehmerueberlassung-bei-tariflicher-deckelung-lag-hamm-urteil-vom-7-08-2019-3-sa-404-19/
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